PROGRAMM 2017


Katrin Jakobsen
Vaterland – Autopsie der Erinnerung
12. März –  08. Oktober 2017


• »Vaterland« ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema Erinnerung:
die kollektive und ihre persönliche Familien-Geschichte fließen in dieser Arbeit ineinander.

Katrin Jakobsen, 1958 in Hamburg geboren, wuchs im vorherrschenden Nachkriegs-Schweigen auf und wurde erst durch den geschichtsaufarbeitenden Unterricht der 70er mit den Vergehen des Dritten Reichs konfrontiert. Wie für viele ihrer Generation entwickelte sich daraus ein tiefsitzendes, Nation-bezogenes Schuldgefühl: »Bis vor kurzem schämte ich mich zu sagen, dass ich Deutsche bin. Ich habe vorgezogen zu lügen«. Ihr Ausgangspunkt? Ein kleiner Kalender von 1945, ein Kriegstagebuch, das nach dem Tod Ihres Vaters Karlheinz auftauchte. Als Hitler an die Macht kam war er gerade sieben. Die Installation »Das Wohnzimmer« ist eingerichtet wie zwei gutbürgerliche Stuben aus den 30er Jahren. Die Symbole, die damals Europa in ein »Wir – und die Anderen« teilten, sind überall versteckt: in Tapeten-Mustern, Kissen, dem von Jakobsen selbstbezogenen Sofa, bis dahin, dass man ihre Bedeutung fast vergisst. Es ist, als hätte die Künstlerin die gesamte Nazi-Grammatik in ein Strickmuster verwandelt und in Größe eines Wohnzimmers noch einmal neu gehäkelt.



Gerd Günter
Transverse
12. März –  09. April 2017


• Die Ausstellung fotografischer Arbeiten von Gerd Günter zeigt Beobachtungen kleiner Absurditäten des Alltags, der Inszenierung des »Ich« im Öffentlichen Raum und des Umgangs mit unseren Lebensräumen. Dagegen steht gleichermaßen die Lust am Experimentieren mit dem Medium Fotografie und dem Verwischen von Grenzen zwischen realen und fiktionalen Welten. Aus vorgefundenen Bruchstücken enstehen irritierende Orte, mal hintergründig, mal ironisch mit unserer Wahrnehmung spielend.
Zwei auf den ersten Blick wenig vereinbare Positionen prallen aufeinander. Eine verquere Bilderwelt.

Gerd Günter; geb. 1951 in Herford, 1972 – 1977 Studium der Kunstpädagogik in Münster und Braunschweig (HBK), 1980 – 2013 Arbeit als Kunst- und Medienpädagoge, 1993 – 2009 Lehrauftrag für Fotografie an der Universität Hildesheim. Lebt und arbeitet in Hildesheim.



Erhart Schröter
Doppel-Bilder
12. März –  09. April 2017


• Schröters Malerei changiert in gelungener Weise zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Charakteristisch für seine Gemälde sind ihre freie Form und expressive Farbigkeit, die ebenso lyrische Töne wie dramatische Zuspitzungen kennt. Wie sehr die abstrakte Bildgestaltung durch den Blick des Künstlers auf reale Ereignisse und Vorkommnisse sowohl im gegenwärtigen als auch im vergangenen Raum der Geschichte gelenkt wird, machen u. a. die Titel seiner Werke deutlich. Das aktuelle Projekt des Künstlers, seine Doppelbilder, beschäftigt sich mit Horizonten in fließenden Übergängen. Dabei wird eine bereits vorhandene Bildstruktur von ihm kompositorisch erneut bearbeitet, räumlich erweitert und in die Tiefe umgedeutet. Die Interaktion von Nähe und Ferne, Transparenz und Dichte sowie fluide Malprozesse und spiegelnde Bildebenen erzeugen Doppelbilder, die wir auch als Nachbilder kennen. (Michael Stoeber)

Erhart Schröter; geb. 1938 in Frankfurt / Oder, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte u. Germanistik in Marburg u. München. Studium der Malerei in Kassel. Dozent für Kunst u. Medien an der Universität Göttingen, wo er heute als freischaffender Künstler lebt u. arbeitet.



Norbert Klora, Burchard Vossmann
SPUREN:FINDER
23. April –  21. Mai 2017


• Norbert Klora war fünf Jahre alt, als er zu seiner ersten Reise nach Afrika aufbrach. Er ist von verschiedenen Ethnien und Lebensräumen fasziniert und verarbeitet seine Begegnungen und Erlebnisse in zum Teil narrativen Bildserien. Die Ausstellung zeigt Arbeiten, die auf Reisen entstanden oder von ihnen inspiriert worden sind. Dazu gehören Fotos von bedrohten Volksstämmen in Äthiopien, gemalte Porträts von Forschern und Entdeckern sowie Reiseskizzen und Druckgrafiken.
Burchard Vossmann beschäftigt sich vor allem mit den Spuren, welche die Zivilisation hinterlässt. Sein Revier sind urbane Lebensräume. Dort sammelt der Künstler Material für seine Bilder und Installationen. Der über 30 Jahre zusammengetragene Fundus an Objekten dient bis in die Jetztzeit als Inspirationsquelle und Arbeitsmaterial.
Die gemeinsame Ausstellung gibt dem Besucher die Gelegenheit, selbst auf Spurensuche zu gehen, Materialität zu erfahren, dem Entstehungsprozess der Arbeiten näher zu kommen. Denn auch der Besucher soll hier auf eine Entdeckungsreise gehen. Die gemeinsame Ausstellung zeigt einen kosmopolitischen Ansatz, fern vom Massentourismus. Die Bildwelten beider Künstler könnten gegensätzlicher nicht sein, ergänzen sich jedoch hervorragend in ihren Sicht- und Herangehensweisen.

Norbert Klora; geb. 1955 in Brüggen. Er lebt und arbeitet in Hannover. Ausbildung zum Lithografen, Studium an der FH Hildesheim / Holzminden bei Prof. Fritz Dommel.



Burchard Vossmann; geb. 1954 in Garrel (Oldenburg). Studium Grafik-Design an der FH Hildesheim / Holzminden bei Prof. Fritz Dommel. Lebt und arbeitet seit 1982 in Berlin.



Paul Wilde
Kopf an Kopf
28. Mai –  25. Juni 2017


• Ach der Kopf. Er ist der Computer. Der Rechner. Die Bibliothek. Der Sitz des Verstandes. Das Archiv. Es gibt kluge Köpfe und wirre. Wirrköpfe. Es herrscht Verwirrung in ihm. Es spukt in ihm. Trugbilder. Alles nimmt seinen Anfang im Kopf. Alle Taten sind Kopfgeburten. Der Irrsinn nistet dort. Die Finsternis im Kopf verfinstert die Welt. Auch Bilder gehen durch ihn hindurch. Verschwommene und scharfe. Ein ewiges Gehen. Was da im Kopf abgeht, das lässt sich nicht abschalten. Man kann nicht nicht denken, es sei, man hörte auf zu sein. Als hätten die Gedanken – wie Vögel – Flügel, sie fliegen, flattern im Kopf herum. All das, was da drinnen vorgeht, das kann keiner sehen. Und all das kann Paul Wilde malen. All das lebt und scheint vor in seinen Kopfbildern. Das Geheimnis des Kopfes. Es geht merklich etwas vor sich. Und dieses Vorsichgehen ist Denken. Und das ist immer schwer. Manchmal so schwer, dass der Kopf fast zerbricht. Kopfzerbrechen.
(Norbert Hilbig)

Paul Wilde, geb. 1947 in Marke /Osterrode; Studium bei J. Siercke, UMBO u. Paul König; lebt u. arbeitet in Hildesheim.



Sibylle Möndel, Bernd Zimmer, Conny Luley
GRENZLAND • TRAUMLAND
28. Mai –  25. Juni 2017


• in künstlerischer Dialog zwischen kritischer Wahrnehmung und der Sehnsucht nach ästhetisch poetischer Schönheit. Sibylle Möndel greift mit ihren Mixed-Media Arbeiten unter dem Titel »GrenzLAND« -aktuelle Themen auf. Conny Luley transportiert in ihrer abstrakten Malerei die erlebte Naturlandschaft in eine poetische Farb-landschaft. Die Skulpturen des Bildhauers Bernd Zimmer, in reduzierter klarer zeitloser Ästhetik, leiten den Betrachter über glatte Oberflächen zum Wesenskern.

Sibylle Möndel, geb. 1959, Ausbildung: Prof. Hans K. Schlegel, Stuttgart. Mitglied im VBKW, 22. Mainzer Kunstpreis Eisenturm 2006 »Vision Europa« (1. Preis).



Bernd Zimmer, geb. 1959, Studium: Kunstakademie Stuttgart, Mitglied im VBKW.



Conny Luley, geb. 1962, Ausbildung: Prof. Thomas Bechinger und Prof. Jerry Zeniuk, Mitglied der GEDOK. Die Künstler leben und arbeiten im Raum Stuttgart.



Małgorzata Konwerska
Änderungsdienst. Für Kinder und Erwachsene
06. August –  03. September 2017


• Małgorzata Konwerska malt Köpfe, Gesichter und Figuren. Das allein, möchte man denken, würde ja ausreichen, zumal, wenn sie allesamt mit solcher Ausdruckskraft daherkommen. Dann aber zerstört sie ihre Malerei, zersplittert das Intakte, zerfetzt das Verbunde, entstellt die geordnete Ordnung. Und dann fügt sie die Fragmentierungen dreidimensional neu zusammen und verrückt die einzelnen Fragmente so, dass sie sich als Ganzes wohl zusammenfügen, aber doch nicht auf den ersten Blick und erst recht nicht von jedem beliebigen Standpunkt aus. Die einzelnen Elemente sind versetzt, verschoben, verdreht, so dass der Betrachter das Ganze von vielen Seiten her anschauen muss, um sie zu einem Ganzen neu zusammenzubringen. Und dann sieht er, was er sieht, immer neu und anders und wieder anders oder – gar nicht. Eine kleine Veränderung der Position bewirkt eine Veränderung der Sichtweise und des Gesehenen. Und das ist ein verwirrendes, aufregendes, faszinierendes Spiel. (Norbert Hilbig)

Małgorzata Konwerska; 1943 geb. in Poznan, Polen; 1970 Diplom an der Hochschule für Bildende Künste in Poznan; lebt seit 1983 in Hannover.



Takakazu Takeuchi
Farbenspiel der Leerheit
06. August –  03. September 2017


• Seifenblasen verstehe ich als Skulpturen, die in der hochsensiblen und äußerst feinen Spannung zwischen Innen und Außen entstehen. Sie kommen zustanden durch die Luft, die ich aus meinem Körper herauspuste. Unablässig die Farbe ändernd schweben sie frei im Raum umher. Die Menschen und ihr Lebensraum werden auf der Oberfläche der dünnen Haut gespiegelt. Ihr Inneres ist eine leere Höhle und wie ein Blitz verschwindet plötzlich ihre Gestalt. Alle Dinge, die in der Welt des Sichtbaren umherfliegen, werden von der Netzhaut reflektiert während sie glitzern und blitzen – dies geschieht aber nur auf der Oberfläche. Sie entstehen durch Bedeutungsmembrane, so dass ihre wahre Gestalt unsichtbar bleibt.

Takakazu Takeuchi; 1961 geb. in der Mie-Präfektur in Japan, 1986 Diplom an der Universität der Künste, Aichi-Präfektur, Japan 1990 Grand Prix Japan International Art Tokyo, Kyoto, 1991 – 1999 Kunstakademie Düsseldorf Prof. Uecker u. Prof. Rinke, Meisterschüler. Seit 2004 Associate Professor an der Aichi University of Arts Japan, 2009 Jahresstipendium der japanischen Regierung für London.



Zoë MacTaggart
SheBang
10. September –  08. Oktober 2017


• Die Ausstellung versammelt Bilder der Künstlerin Zoë MacTaggart, die einen kritischen Blick auf das Menschenbild unserer Zeit bieten. Die leuchtenden und farbgewaltigen Gemälde zeigen weibliche Figuren, die anscheinend souverän und selbstbewusst eigene Wege gehen. SheBang – der alltägliche Kram, der in der Erlebniswelt der Künstlerin bewältigt werden muss und in der Menschen obendrein mit zugeschriebenen Geschlechterrollen zu kämpfen haben. MacTaggart genießt den spielerischen Umgang mit Klischees und Identitäten; Vorurteile werden augenzwinkernd entlarvt. Konkrete Formen lösen sich in abstrakte Flächen auf und verweisen auf Widersprüche, tradierte Denkmuster und soziale Machtstrukturen geraten ins Wanken.

Zoë MacTaggart lebt und arbeitet in Hannover. Sie studierte u. a. an der Sommerakademie Salzburg bei Norbert Bisky und initiierte die ›Dr. Sketchy’s Anti-Art School‹ sowie Burlesque-Shows in Hannover.



Petra Beiße
WORTE
10. September –  08. Oktober 2017


• Aus Worten, deren Bedeutungsinhalte die verschiedensten Emotionen in uns wachrufen, schafft Petra Beiße schriftkünstlerische Wortbilder und Wortcollagen. Für eine eigene, ausdrucksstarke Formensprache werden die Pfade der klassischen Kalligrafie verlassen ohne dabei unsere Wurzeln, unsere Geschichte zu verleugnen.
Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden neue, teils kritische Werke zum diesjährigen Reformationsjubiläum, Worte von Martin Luther in einem schriftgeschichtlichen jedoch nichtreligiösen Kontext.

Petra Beiße; geb. in Gronau / Leine lebt und arbeitet die Schriftkünstlerin, Grafik-Designerin und Dozentin seit 2016 wieder in der Nähe von Hildesheim. Handlettering, Handschrift sowie experimentelle Schriftgestaltung für Grafikdesign-Projekte und freie Arbeiten bilden den Kern ihres kreativen Schaffens. Zahlreiche Projekte mit Schriftbildern von Petra Beiße sind national und international ausgezeichnet worden.



BBK Jahresausstellung
Grenzgänger
15. Oktober –  12. November 2017


• Grenzen sind in ihrem Wesen nach Trennlinien. Wer darauf sich bewegt ist ein Grenzgänger. Er bewegt sich bald in diesem, bald in jenem Territorium, mal in dieser, mal in jener Sphäre. Die Grenze – als Markierung – sagt, wer wohin gehört, auf diese oder auf die andere Seite. Grenzgänger aber sind Grenzüberschreiter, sie verweigern die Trennung, sie wollen hinaus ins Weite. Sie wollen Offenheit. Wollen das Unbegrenzte. Kunst ist per definitionem grenzüberschreitend, grenzenlos. Das hat sie mit dem Vogel gemein, mit der Weite des Meeres, mit dem Segel, das den Horizont kreuzt. Kunst ist die Manifestation des Grenzenlosen. Sie ignoriert die Haltesignale, sie verweigert sich der Passkontrolle. Sie reist ohne Visum, ohne Papiere, sie widersetzt sich den Kontrolleuren, sie will sich nicht kontrollieren und aufhalten lassen. Die Künstlerinnen und Künstler des BBK Hildesheim sprengen in ihrer Jahresausstellung auch die Grenzen im Kopf. Die Schranken, die sie beschränken. Die Barrieren, die sie hindern wollen am Wollen. (Norbert Hilbig)